Streichung der Auftragswertermittlung von Planungsleistungen gemäß § 3 Abs. 7 S. 2 VgV und Auswirkungen auf die Vergabe von Planungsleistungen

Symbolbild Planung

Im Rahmen der geplanten Änderungen im Vergaberecht ist auch die Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 der Vergabeverordnung (VgV) vorgesehen. Verbände und Kammern warnen vor weitreichenden Auswirkungen auf die Vergabe von Planungsleistungen für öffentliche Bauprojekte. Vor dem Hintergrund, dass die hpm Henkel Projektmanagement GmbH in den letzten Jahren mehr als 500 Vergabeverfahren nach VgV und VOB/A erfolgreich betreut hat, möchten wir aktuelle Informationen zum Thema zusammenstellen und teilweise auch eine eigene Einschätzung abgeben.

Wir machen darauf aufmerksam, dass dieser Beitrag lediglich dem unverbindlichen Informationszweck dient und keine Rechtsberatung im eigentlichen Sinne darstellt. Der Inhalt dieses Angebots kann und soll eine individuelle und verbindliche Rechtsberatung, die auf Ihre spezifische Situation eingeht, nicht ersetzen. Insofern verstehen sich alle angebotenen Informationen ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit.

Hintergrund: EU-weite Ausschreibungspflicht, RL 2014/24/EU und ein Vertragsverletzungsverfahren

Im Jahr 2014 wurde die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe verabschiedet. Sie zielte darauf ab, das Regelwerk für die Vergaben entsprechend den damaligen Bedürfnissen des Binnenmarktes weiterzuentwickeln und innerhalb der Europäischen Union stärker zu vereinheitlichen. Die Vergabeverfahren sollten effizienter, einfacher und flexibler gestaltet und die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) an Vergabeverfahren erleichtert werden. Die Richtlinie wurde 2016 pünktlich zum Ablauf der Umsetzungsfrist durch eine Vergaberechtsreform in deutsches Recht umgesetzt, insbesondere durch die Vergabeverordnung (VgV).

Seit 2019 läuft jedoch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, da die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht in einigen Punkten als unzureichend angesehen wird. Ein zentraler Kritikpunkt ist dabei die Regelung in § 3 Abs. 7 S. 2 VgV zur Ermittlung des Auftragswertes bei Planungsleistungen. Der Satz stellt eine Ausnahme des deutschen Verordnungsgebers zur EU-Richtlinie dar, die besagt, dass bei Planungsleistungen die Zugrundelegung des geschätzten Gesamtwertes aller Lose oder Teilaufträge zur Bestimmung des geschätzten Auftragswertes nur für Teilaufträge über gleichartige Leistungen gelten soll. Die Kommission argumentiert, dass die deutsche Regelung zu einer künstlichen Aufspaltung von Aufträgen führen könnte, um den Schwellenwert zu unterschreiten und damit den Wettbewerb zu beschränken.

Vergabepraxis: Extensive Auslegung unter Zuhilfenahme von HOAI-Argumenten

Tatsächlich wurde die Vorschrift des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV in der Praxis oft genutzt, um die Leistungen von Architekten und Ingenieuren von der EU-weiten Ausschreibungspflicht auszunehmen. Basierend auf den Leistungsbildern der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) rechtfertigten öffentliche Auftraggeber eine separate Betrachtung der Auftragswerte, sodass der EU-Schwellenwert nicht erreicht wurde. Juristen wiesen jedoch stets darauf hin, dass die Gleichartigkeit der Planungsleistungen für ein zu planendes Objekt an der Funktionalität auszurichten sei. So entschied etwa das Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 13.03.2017 (Verg 15/16), dass nicht auf die Leistungsbilder der HOAI abzustellen, sondern eine funktionale Betrachtung maßgeblich ist. Gleichartig sind demnach Planungsleistungen, die bei innerer Kohärenz einen technischen und wirtschaftlichen Zusammenhang aufweisen. Zur Begründung verweist das Gericht auf die Rechtsprechung des EuGH in der Sache „Autalhalle Niedernhausen″ (vgl. Urteil vom 15.03.2012 – C-574/10).

Magnus Radu, Richter und Mitglied des Vergabesenats am Kammergericht Berlin, stellte 2017 im VgV-Kommentar des Bundesanzeiger Verlags ebenfalls klar: „Ersichtlich geht es darum, insbesondere Architekten- und Ingenieurleistungen dem Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts zu entziehen. Indes findet sich für dieses Anliegen weder in Art. 5 RL 2014/24/EU noch sonst eine Grundlage. […] Es kann daher nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass § 3 Abs. 7 S. 2 VgV unionsrechtswidrig ist, weswegen die Vorschrift nicht anzuwenden ist.“ Und auch die Vergabekammer Westfalen wies im Beschluss VK 1-34/19 vom 18.12.2019 darauf hin, dass „sich diese Formulierung nicht mit dem EU Recht in Einklang bringen“ lasse, der Auffassung des EuGH widerspreche und „mit den Vorgaben in Art. 5 Abs. 8 Richtlinie 2014/24/EU nicht [übereinstimmt], so dass eine Auslegung der Regelung unter Einbeziehung des EU Rechts zu dem Ergebnis kommt, dass auch im Falle von Planungsleistungen diese wertmäßig zu addieren sind.“

Selbst die Bundesregierung betont in der Begründung zur aktuellen Verordnung (S. 26): „Die Regelung hatte nach der Intention des Gesetzgebers eine rein deklaratorische Wirkung (s. BT-Drs. 18/7318, S. 148). [Nach den Grundregeln in § 3 Absatz 1 und Absatz 7 Satz 1 VgV] ist der voraussichtliche Gesamtwert der vorgesehenen Leistungen sowohl nach geltendem als auch zukünftigen Recht zusammenzurechnen, wobei der Gesamtwert aller Lose zu Grunde zu legen ist. Für die Auftragswertberechnung von Planungsleistungen ist eine Zusammenrechnung einzelner Planungsleistungen nach der wirtschaftlichen und technischen Funktion der Leistungen zu bestimmen. […] Aus der Aufhebung ergibt sich mithin keine Rechtsänderung.“ Die vielfach praktizierte HOAI-Argumentation ist also mindestens problematisch, Experten rieten zur „besondere[n] Vorsicht […] insbesondere bei der Gewährung von Fördermitteln“. Mit der nun geplanten Änderung der VgV räumt der Gesetzgeber endgültig mit dem Glauben an eine Sonderregelung auf, Auftragswerte für Planungsleistungen für öffentliche Bauprojekte dürften in Deutschland pro Gewerk bemessen und folglich nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) bzw. dem jeweils landesspezifischen Recht ausgeschrieben werden. Die stattdessen erforderliche Addition der Auftragswerte hat zur Folge, dass der Planungsanteil selbst sehr kleiner Bauprojekte die Wertgrenze von 215.000 Euro für die EU-weite Ausschreibungspflicht locker übersteigen wird.

Resolution der kommunalen Spitzenverbände und der Verbände der planenden Berufe

Die geplante Streichung dieser Sonderregelung stößt auf heftige Kritik von Seiten der kommunalen Spitzenverbände und der Verbände der planenden Berufe. In einer gemeinsamen Stellungnahme und einer Resolution appellierten im Dezember 2022 Bundesarchitektenkammer, Bundesingenieurkammer, der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten, der Bund Deutscher Baumeister, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund und 13 weitere Verbände an die Bundesregierung, „nicht im vorauseilenden Gehorsam den Argumenten der EU-Kommission zu folgen, sondern eine Klärung durch den Europäischen Gerichtshof herbeizuführen, um die sich ohnehin abzeichnende schwierige wirtschaftliche Lage im Planungs- und Bausektor nicht zusätzlich durch wirkungslose, aber aufwendige bürokratische Verfahren auf europäischer Ebene zu erschweren.“

Weiter fordern die Unterzeichnenden unter Verweis auf die bereits geltende Regelung für soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhang XIV der EU-Richtlinie 2014/24/EU klarzustellen, „dass die EU-weite Vergabe von freiberuflichen Leistungen/Planungsleistungen erst ab einem EU-Schwellenwert in Höhe von 750.000 Euro (netto) erfolgt.“ So würde die Anzahl europaweit auszuschreibender Aufträge aufgrund des für diese Dienstleistungen geltenden höheren Schwellenwerts deutlich verringert. Die Verbände verwiesen dabei auf einen Entschließungsantrag des Freistaates Bayern „Dringender Handlungsbedarf bei der Anhebung der Schwellenwerte der Europäischen Union im Vergaberecht“, zu dem im Februar 2023 ein Beschluss des Bundesrates gefasst wurde.

„Massive Verwerfungen im deutschen Planungsmarkt zu erwarten“

In Reaktion auf den entsprechenden Referentenentwurf der Bundesregierung einer Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts im Februar 2023 veröffentlichten die Verbände und Kammern eine weitere, vierseitige Stellungnahme, in der sie vor drastischen Folgen für das gesamte öffentliche Bauwesen, vor allem in den Kommunen, warnten. Bei einem durchschnittlichen Planungskostenanteil von 26 Prozent an den Gesamtbaukosten (in Deutschland) und einem Schwellenwert von 215.000 Euro wären Projekte schon ab ca. 860.000 Euro europaweit ausschreibungspflichtig. „Bei einer Zusammenrechnung aller Planerhonorare wäre eine europaweite Ausschreibung dieser Leistungen bei nahezu allen öffentlichen Bauvorhaben die Folge (bereits der Neubau einer Kita kostet meist zwischen 3 und 7 Mio. €).“ Das würde nicht nur die Verfahrensdauern selbst für kleinere und mittlere Bauprojekte erheblich verlängern und damit die Ressourcen der Vergabestellen, insbesondere auf kommunaler Seite, überfordern. Auch kleinere Architektur- und Ingenieurbüros würden sich aufgrund des Aufwands noch weiter aus der öffentlichen Auftragsvergabe zurückziehen. Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer, befürchtet gar einen „Baustopp in vielen Bereichen“.

Zusätzlicher Erfüllungsaufwand für die Verwaltung von 110.000 Euro pro Jahr

In der Bewertung des zusätzlichen Erfüllungsaufwands geht die Regierung zwar davon aus, dass „Ausschreibungen von Planungsleistungen zukünftig häufiger oberhalb der EU-Schwellenwerte erfolgen als bisher, da Leistungsbilder stärker anhand der Funktion der Planungsleistungen für ein Bauwerk zusammenzuziehen sind“ (BT-Drucks. 20/6118, S. 40f.). „Der Erfüllungsaufwand seitens der Verwaltung für Auftragsbekanntmachung, Bereitstellen der Vergabeunterlagen, Annahme der Teilnahmeanträge und Angebote (ohne inhaltliche/ fachliche Prüfung und Entscheidung), Bieterfragen, Mitteilung über die Entscheidung und abschließende Ablage“ betrage im Oberschwellenbereich aber durchschnittlich nur 11 Euro mehr pro Verfahren als im Unterschwellenbereich. (S. 24) Ausgehend von jährlich 10.000 Planungsleistungen, die zukünftig nach EU-Recht und nicht mehr nach UVgO ausgeschrieben werden, wird von einem zusätzlichen Erfüllungsaufwand von 110.000 Euro ausgegangen. Für Bieter könnte der Aufwand basierend auf Zahlen von Destatis sogar um 25 Euro pro Bewerbung sinken (S. 22).

Für die Verbände und Kammern sind diese Zahlen nicht nachvollziehbar. Sie argumentieren, dass sich die Verfahrensdauer im Oberschwellenbereich in etwa verdoppele; dass auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände „mit einem deutlichen Mehr an Bürokratie samt Folgekosten“ rechne (S. 8) und dass laut Umfragen die überwiegende Mehrheit der Architekturbüros EU-weite Verfahren aufgrund des erhöhten Aufwands meide. Des Weiteren geben Sie zu bedenken, dass planungsspezifische Auftragsvergaben aufgrund des deutlich höheren Schwellenwerts für EU-weite Bauvergaben (5,382 Mio.) im Zweifel durch sogenannte Totalunternehmervergaben ersetzt werden könnten (mitunter auch als Generalübernehmer-Vergabe bezeichnet). Dabei vergibt ein öffentlicher Auftraggeber sämtliche Planungs-, Bau- und bisweilen auch weitere Leistungen an einen einzigen Auftragnehmer (Totalunternehmer/Generalübernehmer).

Die vorgenannten Einschätzungen sieht Dipl.-Ing. Thomas Henkel, Geschäftsführer der hpm Henkel Projektmanagement GmbH, sehr kritisch. „Schon heute unterschätzen viele Auftraggeber den notwendigen und sinnvollen Aufwand, der mit einem gut strukturierten und den Vergabevorschriften entsprechendem Verfahren verbunden ist. Hierbei handelt es sich um eine sehr anspruchsvolle technisch-wirtschaftliche Beratung. Die Einschätzung, dass die Anzahl der Totalunternehmervergaben zunehmen wird, ist aus vergaberechtlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Diese Verfahren bleiben weiterhin Sonderprojekten vorbehalten.“

Erleichterte Generalplanervergaben, Preis als einziges Zuschlagskriterium

Was die Planenden als „eine Existenzgefährdung für die mittelstandsgeprägte Planungswirtschaft in Deutschland“ bewerten, wäre nach Auffassung der kommunalen Spitzenverbände eine notwendige vergaberechtliche Anpassung: In einer separaten Stellungnahme plädieren Sie für „erleichterte Generalplanervergaben unter Wahrung des KMU-Schutzes (es können sich auch kleine Büros zu Bietergemeinschaften zusammenschließen)“ und „eine Änderung des § 76 VgV […]: Es sollte auch im Oberschwellenbereich möglich sein, als Auftraggeber bei der Vergabe von Architekten -und Ingenieurleistungen den Preis als einziges Zuschlagskriterium zu wählen.“ Wann ein Projekt hierfür geeignet sei und wann nicht, sei der Einschätzung des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers zu überlassen.

Diese Forderung ist aus Sicht z. B. der Ingenieurkammer-Bau NRW „überraschend und zutiefst enttäuschend“: „Anders als fertige Produkte können die geistig-schöpferischen Leistungen von Ingenieurinnen und Ingenieuren gerade nicht abschließend beschrieben und daher nicht allein nach dem Preis ausgewählt werden.“ Entscheidungen allein für das billigste Angebot würden unweigerlich zu einer Verschlechterung der Planungsqualität führen und damit dem Gemeinwesen auf vielfältige Weise schaden. So könnten unter Kostendruck Optimierungen zum Klimaschutz gestrichen oder etwa an der Qualität in der Planung von Bildungseinrichtungen gespart werden. Auch würden reiner Preiswettbewerb und mangelnde Wertschätzung die Attraktivität der Berufe schmälern – ein fatales Zeichen in Zeiten des Fachkräftemangels.

Streichung beschlossen, Anhebung der Schwellenwerte nicht in Sicht

Inzwischen hat die Bundesregierung dem deutschen Bundestag die „Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare (‚eForms‘) für EU-Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen“ übermittelt, die auch das laufende Vertragsverletzungsverfahren durch Streichung der Regelung zur Auftragswertermittlung von Planungsleistungen in § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV beilegen will. Auch die entsprechenden Regelungen in der SektVO und der VSVgV werden aufgehoben. Der Bundestag hat dieser Verordnung in seiner 100. Sitzung am 27. April 2023 zugestimmt. Damit hat sich die Hoffnung der Verbände und Kammern, die Streichung noch stoppen zu können, zerschlagen.

Auch die geforderte Anhebung der Schwellenwerte wird mindestens kurzfristig nicht umgesetzt werden können. Einem Sonderschwellenwert für Planungsleistungen steht die EU-Kommission genauso ablehnend gegenüber, und inflationsbedingte Korrekturen (wie vom Bundesrat gefordert) oder eine Zuweisung zu den besonderen Dienstleistungen gemäß Anhang IVX bzw. § 130 GWB bedürfte langwierige europarechtliche Verhandlungen und Anpassungen.

Was nun? Lösungsansätze und Auswege

Je wahrscheinlicher die Streichung der Regelung in den vergangenen Monaten wurde, desto intensiver wurden auf verschiedenen Plattformen Folgen und Lösungsansätze diskutiert. Viel Beachtung fand etwa ein Fachbeitrag von Ref. jur., Dipl.-Wirtschaftsing. (FH) Stefan Jungmann für die Ingenieurkammer Sachsen, der „sieben denkbare Auswege“ zusammentrug und auf Umsetzbarkeit prüfte. Neben der bereits dargelegten Anhebung der EU-Schwellenwerte und Generalplaner-/GÜ-Vergaben beleuchtet er etwa die Möglichkeiten langfristiger Rahmenverträge bzw. Rahmenvereinbarungen; die losweise Vergabe für Projekte, die in Addition von Planung und Bau unter dem Schwellenwert von 5,382 Mio. Euro netto bleiben; sowie die Nutzung des Bagatellwerts nach § 3 Abs. 9 VgV und die Durchführung Offener Verfahren. Im Fazit hält Jungmann fest: „Dem ersten Prüfen nach sind [die Lösungsansätze] leider nur begrenzt umsetzbar. Einigen hat die KOM bereits widersprochen, andere sind mit dem Gedanken der Förderung Klein- und mittelständischer Planungsbüros kaum vereinbar.“

Eine Idee in einem anderen Forum, die zumindest den Übergang so weit wie möglich hinauszögern soll, lautet, noch möglichst viele Erstverträge abzuschließen. Dabei wird davon ausgegangen, dass für die Bewertung von Neuvergaben bereits vergebene Honorare nicht in den voraussichtlichen Gesamtwert einzurechnen seien.

Der Kritik der Verbände an überbordender Bürokratie und erheblichen Erschwernissen durch die europaweiten Vergaben hält Dr. Christoph Kins auf vergabeblog.de entgegen, dass die Flexibilität des geltenden Rechts unterschätzt werde: „Um dies zu verdeutlichen, ist in einem ersten Schritt auf rechtliche und tatsächliche Schwächen der derzeitigen Rechts- und Praxislage einzugehen.“ Anschließend zeigt Kins einige Beschleunigungs- und Vereinfachungsmöglichkeiten auf, die nach dem geltenden Recht bestünden – darunter die einstufige Vergabe, Verkürzungen der Teilnahmeantrags- und Angebotsfristen, ein Ausschluss von Nachforderungen, hohe Mindestanforderungen anstelle von Wertungskriterien auf Eignungsebene und die Einsparung von Präsentationsterminen. Sein Beitrag gipfelt in „der Erörterung einer beispielhaften Vergabe von Planungsleistungen im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb – in einem (1) Monat.“

Auch Dr. Tobias Hänsel, Fachanwalt für Vergaberecht sowie für Bau- und Architektenrecht und seit 20 Jahren mit der Gestaltung von Vergabeverfahren für Planungsleistungen befasst, ist überzeugt: „Die überlangen, teuren und komplizierten Vergabeverfahren der öffentlichen Hand sind hausgemacht.“ Dies beginne bereits mit der Einordnung, dass Planungsleistungen per se Aufgaben beinhalten würden, deren Lösung vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden könne (§ 73 Abs. 1 VgV). Das sei aber nicht richtig. Zwar seien Planungsleistungen kreativ und schwierig, in rechtlichen Kategorien allerdings zumeist beschreibbar. Dies betreffe insbesondere die Fälle, in denen der Auftraggeber bereits über eine Entwurfsplanung und den Förderbescheid verfügt. Überbordende Eignungsanforderungen, komplizierte Teilnahmewettbewerbe, mit dem Angebot verlangte umfangreiche Konzepte, zehn oder mehr Wertungskriterien usw. würden vom Vergaberecht nicht gefordert, ergänzt er. „Methodik zur Kostenverfolgung“, „Methodik zur Terminverfolgung“, „Organisation des Büros“, „Darstellung der örtlichen Präsenz im Auftragsfall“ – nach Meinung von Dr. Hänsel verursachen derartige „Alibikriterien“ zwar einen großen Aufwand auf beiden Seiten, seien aber kaum geeignet, eine sinnvolle Wertungsentscheidung zu ermöglichen und garantierten schon gar nicht eine problemlose Bauausführung. Seiner Meinung nach seien Vorschläge zu unterstützen, weniger anspruchsvolle Planungsleistungen, die gewissermaßen jedes Planungsbüro erbringen könne, nach dem günstigsten Preis zu vergeben. § 76 Abs. 1 VgV stehe dem nicht entgegen, so Dr. Hänsel, denn dieser gelte nur für nicht beschreibbare Planungsleistungen. Ferner empfiehlt er Auftraggebern, Planungsleistungen im offenen Verfahren auszuschreiben, da die Erfahrung zeige, dass der Auftraggeber nur in den seltensten Fällen überhaupt Verhandlungsbedarf habe.

Lesenswert, wenngleich nicht über jeden Zweifel erhaben, erscheint außerdem die hochaktuelle Masterarbeit von Benedikt Gasteiger, Student im LL.M.-Weiterbildungsstudiengang Baurecht und Baubegleitung der Philipps-Universität Marburg. Die Arbeit befasst sich im Kern mit den Fragen: Wurde der Art. 5 RL 2014/24/EU im Sinn seines Regelungsinhalts in § 3 Abs. 7 VgV umgesetzt? Was bedeutet der Begriff „gleichartig“ in diesem Zusammenhang? Ist § 3 Abs. 7 S. 2 VgV europarechtskonform?

Fazit

Die Streichung der Regelung zur Auftragswertermittlung von Planungsleistungen in § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV hat zu erheblichen Bedenken in der Baubranche und den planenden Berufen geführt. Die geplante Änderung könnte zu einer Verlängerung der Ausschreibungsverfahren, reduzierten Bieterzahlen für öffentliche Aufträge, vermehrten Zusammenfassungen von Planungs- und Bauleistungen sowie einer Veränderung der Wertungskriterien führen.

Auch unser Expertenteam der hpm-Vergabebetreuung stehen der Entwicklung skeptisch gegenüber, da die Anwendung der EU-Richtlinie der einzigartigen, mittelstandsgeprägten Planungsmarktstruktur in Deutschland keine Rechnung trägt. Umso wichtiger ist in Zukunft eine kompetente Beratung der Auftraggeber, um technische und wirtschaftliche Zusammenhänge und die innere Kohärenz der zu planenden Objekte angemessen zu bewerten, Vergabeverfahren entsprechend effizient zu gestalten und dabei der Förderung von KMU und freiberuflicher Planungsbüros in Deutschland gerecht zu werden.

Wenn Sie Fragen zu Ihren laufenden oder geplanten Vergabeverfahren und den aktuellen Auswirkungen haben, sprechen Sie uns gern an!